Nachdem ich in diversen Blogs (1, 2, 3, Fotos) und in den Nachrichten von dem Wahnsinn bei der Elektromarkteröffnung am Alexanderplatz hörte, habe ich gestern Abend, nach getaner Arbeit, einen Spaziergang nach Mitte gewagt. Schon auf dem Alexanderplatz kamen mir zahlreiche männliche Mitbürger vom Typ „Proll“ mit Kartons voller Flatscreens, Mikro-Kompaktanlagen und anderem Elektroschrott entgegen. Als ich dann gestern um 22 Uhr (am Tag nach der Eröffnung) vor dem Alexa stand, hat mich die Realität überrollt. Wenn man Ereignisse via Nachrichten und Videoberichte konsumiert, wird einem ja suggeriert selbst dabei zu sein. Aber live ist härter: Ich fühlte mich wie ein verwirrter Beobachter von einem anderen Planeten: Einlassgitter die den Menschenmassen Schlangenlinien aufzwingen, Müll, Securitykräfte, Prolls, Müll, kaputter Rollrasen, Polizei, Müll, Menschen mit Elektroschrott in Kartons, Müll, Glasscherben, Prekariat, noch mehr Müll. Ich wollte Bilder machen für diesen Text hier. Akku leer. Warum sind die scheiß Akkus immer dann leer, wenn man sie braucht?
Vor dem Elektromarkt stand eine Schlange. Hab mich nicht angestellt. Bin sprachlos durch die Einkaufspassage geschlendert. Im 2. OG gab es dann noch einen freien Eingang zum Elektromarkt. Sieht aus wie geplündert. Alle Rolltreppen stehen still. Sind mit Sonderangebot-Prospekt-Fetzen verstopft. An allen Kassen werden im 20 Sekunden-Takt Beträge von mehreren hundert Euro bezahlt. „Kann ich den Fernseher auch finanzieren … auch ohne Anzahlung?“ – „Hey goil Alder, voll geiles Handy“. Die Leute aus den Nachmittags-Talkshows gibt’s ja in echt! Bisher dachte ich immer: Die sind so fertig, das müssen Schauspieler sein. Nach 20 Minuten ist es zu viel. Ich muss raus aus dem Markt. Was gar nicht so einfach ist…
Es bleibt die Faszination dieser Massen-Sonderangebot-Hypnose, Erstaunen über die Macht der Werbung und die Manipulation über geschickte Propaganda und PR. Ich war kurz davor mir selbst was zu kaufen bei der ganzen Massenhysterie: Halt irgendwas wie einen MP3 Player, Kamera oder so… Konnte es mir grade noch verkneifen und ein paar Preise notiert, die ich eben mal kurz recherchiert habe: Die im Prospekt gepriesenen Angebote (Canon 400D, 2 Laptops) waren tatsächlich echte Schnäppchen und lagen um die 20% unter dem günstigsten Preis den ich im Internet auf die Schnelle finden konnte. Ich habe aber auch einige Preise von normalen Produkten im Laden notiert (MP3 Player, LCD-TVs), und die lagen 20 – 50% über den Internet-Tiefstpreisen, suggerierten aber in handgeschriebenen roten Lettern auch ein aktuelles Wahnsinn-Sau-Angebot zur Eröffnung. Vielleicht sollte ich eine neue Kamera kaufen? Es sind doch Welt-Tiefstpreise und so… Beinahe hätte mich die Schnäppchen-Propaganda dann vor Ort auch noch erwischt.
ich nehme an, viele werden das zeug über ebay weiterverkaufen und versuchen gewinn zu machen.
für die, die das zeug auf vorrat kaufen, gibts nur das kleine problem, dass die garantie ab kaufdatum läuft. wenn man pech hat, geht der alte monitor erst kaputt, wenn bei den neuen die garantie abgelaufen ist.
finds seltsam, dass sowas bei den keine-mwst-verkäufen anfang januar nicht geschehen ist.
Denke auch, dass das bei Ebay in Massen auftaucht. Ob sich der Aufwand lohnt? Hysterie beim Einkauf, Verpacken & Verschicken, Verlustrisiko beim Verkauf.
Das Prekariat hat wieder zu geschlagen. Zwei Bekannte von mir waren heute mittag übrigens da und berichteten, daß es alle SChnäppchenartikel noch gibt. Man hätte sich den Punk also nicht geben müssen.
ich steig aus! … also wenn ihr euch alle neue digicams zulegt … kann ich dann vielleicht eine alte von euch abkaufen? muss nix besonders sein …
egal was draufsteht … nur ein schneller auslösemoment wäre sehr schön /// also schnäppchen ist so ein ekelwort … billig … auch …
mir hat mal ein geselle beigebracht das es immer sinnig ist preiswert zu kaufen … und vor allem wären wir zu arm um uns was billiges zu kaufen … irgendwie hat er ja recht gehabt der alte –
ach ja vergessen zu sagen … sehr schön geschriebener artikel herr mac –
ich verehre ihren stil! …
@Jonas: Vielen Dank für die Blumen. Wann gehen wir mal ein Bier trinken?
schöner artikel, angenehm zu lesen.
man kann all dies übrigens auch in den lokalen (größere, möchtegern- bis großstädte) m-märkten beobachten, sobald diese überdimensionierten flyer den mehr oder weniger renommierten tages- oder lokalschreiben beiliegen. vielleicht nicht ganz so krass, aber parallelen sind sicherlich da.
ich frag mich halt manchmal nur – warum bin ich noch angestellter ? ;o)
grüße aus düsseldoof
ooooooch bei irgendsoner eroeffnung von ikea (ich glaub in asien!) da gab es auch schon tote! eine steigerung ist also durchaus moeglich! ich mein wenn da schon ‚ich bin doch nicht bloed‘ fett drauf steht dann weiss man doch: ‚ich bin so sackdumm‘ wenn man da hingeht (und nicht nur ‚das prekariat‘ scheint sich ja da aufzuhalten…) wir sind also alle so bloed! itz fuckin´ capitalism stupid!
Um Himmels Willen, er war auch DA!
Diese Läden heissen in der „Fachsprache“ Geizmarkt und Blödmarkt (und gehören ganz nebenbei der selben Firma).