Sitze hier am Hamburger Schulterblatt in einem Cafe. Neuer Rekord: Mein Laptop findet 42 WLANs. Davon sind 3 offen – Ich komme aber trotzdem nicht rein. Würde sowas ich ja gar nicht bloggen, wenn nicht die Zahl so bedeutungsschwanger wäre.
Kategorie: On-the-road
Mobiles bloggen von irgendwo unterwegs
Moderne Nomaden
Bemerkenswert was da an neuen Berufsbildern vorgelebt wird: Zwei meiner Bekannten haben das Reisen jetzt endgültig mit ihrer Arbeit fusioniert. Während Jörg Pfeiffer mit seinem hellblauen Bus gerade im Auftrag des Herren Spiegels in Belgien zwischen Frittenbuden und Karottenmuseum unterwegs ist, fährt Florian Thalhofer mit einem Motorrad (im Auftrag des Herren Goethe-Instituts) quer durch die USA und sucht den typischen Amerikaner.
Beide Projekte sind sich ja durchaus nicht unähnlich, und da sich Jörg und Florian noch nicht persönlich kennen, werde ich sie wohl mal zusammenbringen müssen. Und warum sitze ich eigentlich den ganzen Tag am Computer? Hey Dirk, lass uns Dataloo-on-da-road starten – Sponsoren dürfen sich gerne jetzt sofort melden.
Digitale Penner Bohème im urbanen Cafe
Es ist ein Klischee aus den aktuellen Lifestyle-Medien: Menschen sitzen mit Laptops im Cafe und arbeiten dort bis der Akku leer ist. Die neuen Propheten schreiben diese Form der Cafe-Arbeit in die Schuhe der Digitalen Bohème. Gelegentlich wird diese Arbeitsweise auch dem neuen akademischen Prekariat zugeschrieben: Den Urbanen Pennern. Na jedenfalls bin ich gerade aus der alltäglichen Enge meines Heimbüros in eines der zahlreichen „Hier kostenloses WLAN“-Cafes des Prenzlauer Berges entflohen. Der neue Powerakku muss allerdings seine 6 Stunden Laufzeit unter WLAN-Last erst noch beweisen. Und obwohl ich jetzt seit über 4 Jahren selbständig bin, betätige ich mich zum ersten Mal, zumindest in meiner direkten Nachbarschaft, als Cafe-Arbeiter. Das Bild der individuellen Selbstverwirklicher-mit-Powerbook-im-Cafe-Sitzer wird ja in Zeiten des erstarkten Wirtschaftsbooms gerade wieder durch das viel ältere Bild der Manager-mit-Business-Notebook-im-Flugzeug-Sitzer abgelöst. Das Klischee der 30-Jährigen Laptop-Täter in Cafes ist inzwischen auch bei Bunte, RTL und der Bildzeitung schon wieder auf dem absteigenden Ast. Scheint fast so, als wäre ich mal wieder anti-zyklisch unterwegs. Egal – Hier sitze ich nun mit Catering-Service der mir grade ein Kännchen Earl Grey bringt. Im Gegensatz zu dem Jungjournalisten mit schlankem weißem Apple („Puderdose“), benutze ich ein altes PC-Schlachtschiff Anno 2002 von Toshiba, aber ich trinke ja auch Tee und keine Latte…
Von der Umfeld-Beobachtung zur Selbst-Beobachtung: Erstaunlicherweise fällt mir auf, dass ich in den letzten Stunden wesentlich konzentrierter an meiner To-Do-Liste arbeitete als ich das üblicherweise im Home Office mache – und das trotz der massiven Geräuschkulisse von Espressoautomat, schreienden Prenzlbergerkindern und der schlechten Musik in diesem Etablissement. Hier kam ich erst gar nicht auf die Idee mich durch Nebensächlichkeiten ablenken zu lassen. Auch wenn ich erst nicht weghören konnte, als der Jungjournalist („momentan studiere ich noch Kulturwissenschaften…“) mit Handy eine Medienredaktion nach der anderen anrief um seinen Artikel „über Reichtum und Armut in Deutschland“ in irgendeiner Zeitung unterzubringen. Irgendwann verschwand der Journalist mitsamt Kellnern, Kindern und Krautrock in meiner Ignoranzwolke und ich konnte mich voll und ganz auf meinen Bildschirm und meine Aufgaben konzentrieren. Genauso wie ich jetzt in Höllentempo diesen Artikel runtertippe den ich gleich auch direkt aus dem Cafe veröffentlichen werde. Hey, voll cool: Cafe-Blogging?! Der Akku zeigt noch immer 45% Ladekapazität aber ich werde jetzt doch aufbrechen, denn es wird kalt hier – warum hab ich mit dem Digitale Boheme Quatsch nicht schon im Sommer angefangen?
re:publica vs. Chaos Computer Club
Ein halber ½ Tag re:publica liegt hinter mir – hier kurz die wichtigsten Duelle zwischen der re:publica und einer Veranstaltung des Chaos Computer Clubs:
Frauenanteil im Publikum: 30% vs. 5%
Anteil weißer tragbarer Apple Computer (Puderdosen): 50% vs. 3%
Anteil silberner tragbarer Apple Computer: 20% vs. 5%
Clubmate Trinker: 23% vs. 42%
Bereitschaft kommerzielle Web 2.0 Portale (z.B. Flickr) zu nutzen: 90% vs. 2%
Digitalkameras pro Besucher: 1,2 vs. 0,1 („Hey – ich hab das Recht an meinem eigenen Bild“)
Unterwegs mit der Bahn
Über die Bahn zu lästern ist einfach: Verspätungen, überteuert und organisatorisches Bilderbuch-Chaos. Um es vorweg zu nehmen: Ich bin sowieso schon absoluter Bahnhasser und ziehe es vor, Mittel- bis Langstrecken mit den klimaunfreundlichen Billigflieger zurückzulegen. Jetzt musste ich allerdings aus familiären Gründen kurzfristig eine Fahrt in die alte Heimat buchen und die Flieger waren schon bei Spitzenpreisen. Sonntagmittag am Berliner Hauptbahnhof schon ausufernde Menschenmassen die ein zügiges Vorankommen im Keime ersticken. Ist das Gebäude aufgrund von diversen Sturmschäden jetzt schon im Sightseeing-Programm der Wochenendtouristen? Und ich habe Glück: Der erste Kartenautomat funktioniert und druckt mir meine vorläufige Bahncard25 aus. Die Bahncard war für mich bisher Ausdruck der Kleinbürgerlichkeit und lag in der Nähe von Campingplätzen, Gartenzwergen und Tchibo-Snowboardjacken (hab ich selbst eine). Der Zug kommt tatsächlich pünktlich. Allerdings ist die Reihenfolge der Wagen heute ausnahmsweise invertiert, was 5 Minuten vor Zugeinfahrt über die Lautsprecher verkündet wird. Sofortiges Chaos: Panische Großmütter kämpfen sich mit ihren Rollkoffern von Abschnitt „G“ zu „A“, also über den gesamten Bahnsteig. Natürlich versuchen die von Abschnitt „A“ zu ihrem reservierten Platz auf Abschnitt „G“ zu sprinten. Ich versuche ruhig zu bleiben und meinen Kater zu ignorieren.
Im Wagen angekommen entdecke ich, dass sich meine Platz-Reservierung entgegen meinen Wünschen im Raucherabteil befindet. Hier sitzen Susi, Maik und Ben wenn sie grade mal nicht in den Nachmittags-Talkshows sind: German White Trash. Außerdem ein kettenrauchendes Elternpaar das wie 50 aussieht, aufgrund ihres 5-jährigen leicht mutierten Sohnes allerdings wohl eher Anfang 30 ist. Sat1 und RTL hätten hier sicherlich eine hohe Erfolgsquote beim Rekrutieren von Talkshow-Kandidaten zum Thema „Inzucht schändete unser Kind“ oder „6 Aus 49 – Wer ist wohl der Vater?“. Ich bin total sauer weil ich keine Steckdosen finde um mein Laptop zu versorgen, denn das sollte doch der Vorteil der Bahnfahrt sein: 8 Stunden Arbeit, Spiel und Spaß mit dem Computer.
Diesen Text habe ich mit Akkustrom geschrieben, bis mir gerade der Schaffner erklärte wo die Steckdosen an jedem(!) Platz zu finden sind. Bahnfahren ist gar nicht so schlecht.
Alles ist verzerrt
Ich bin seit gestern im Schwarzwald: da wo ich auch aufgewachsen bin. Und heute als ich mit dem Fahrrad unterwegs war, ist mir mal wieder aufgefallen, dass nicht nur Zeit relativ ist, sondern auch Entfernungen. Weit war vor 15 Jahre noch die Strecke von Zuhause zu Freund R., und der Weg ins Nachbardorf war sowieso eine Halbtagestour. Jetzt scheinen alle Entfernungen seltsam verzerrt: alle Wege sind wesentlich kürzer geworden! Liegt das nun daran, dass man nun schon etwas mehr von der Welt gesehen hat? Verzerrt die Erfahrung mit dem Makrokosmos die Dimension der Landstrassen und wohl duftenden Waldwege? Liegt es daran, dass man nun selbst Auto fährt und Flugzeuge benutzt wie früher den Linienbus? Jedenfalls liegt das hier inzwischen alles enger beisammen als früher.
Mobile Blogging ausgefallen wegen Ist-Nicht
Theoretisch wäre alles so einfach gewesen.
Wir waren gut vorbereitet: Das ultramoderne Handy/PDA/Dings hätte die Fotos geknipst, mit der Tastatur hätte man den Blogeintrag mit beiden Daumen getippt, um dann alles per GPRS direkt vom Berg ins Dataloo zu senden. Man „hätte“…
Aber vom Mobile Blogging hat uns etwas anderes abgehalten:
Wir wollten nicht!
Wenn man jeden Tag um die 5 Stunden mit dem Snowboard auf den Pisten eines gigantischen Skigebiets unterwegs ist, dann möchte man Abends neben einer leckeren Mahlzeit und der Sauna nicht mehr viel vom Tag. Ich wollte kein schreckliches Après-Ski-Kampftrinken, keine Mitgröhl-Musik in überteuerten Skibars (einmal „Piano Bar“ hat gereicht) und hatte neben viel frischer Luft und Spass auch nichts zu erzählen was sich für einen Blog-Eintrag gelohnt hätte. Schlecht für euch – Gut für mich!