Top Konzerte 2016 Berlin – Datalooliste

Nach 6 Jahren lasse ich nun die alte Tradition der Datalooliste neu aufleben.
Heute die Kategorie „Meine besten Konzerte 2016“. Ausgewählt aus meiner peniblen Auflistung im Terminkalender. Im Jahr 2016 habe ich nur 15 Konzerte besucht, im Jahr 2011 waren es noch 38!

Hier nun meine ganz persönlichen Top-Konzerte:

Neoangin bei tschk(22.09.2016)

Das wichtigste Konzert in 2016 war von Neoangin und fand anlässlich der Wiederauferstehung der tschk!talks statt. Jim Avignon bewies sich erneut als Rampensau mit dem Potential auch ein relativ kleines Publikum von ca. 60 Leuten über 3 Stunden ins Schwitzen zu bringen.

Daughter im Huxleys (07.02.2016)
Irgendwie unspektakulär spektakulär. Was als erstes auffiel: Ein sehr ungewöhnliches und symphatisches Publikum mit hohem weiblichem Anteil. Live konnte die Band Daughter der Melancholie und dem Schmerz, der auf beiden Alben deutlich zu hören ist, eine schöne aggressive Wucht aus Gitarren und Lärm entgegensetzen. So waren die Songs zwar noch immer dunkel gefärbt, trieben aber die anwesenden Körper in eine positive Aktivität.

The Cure in der Mercedes-Benz Arena (18.11.2016)

Es hat sicherlich geholfen, dass ich mit zwei extrovertierten Schauspielern auf dem Konzert war: Wir waren sofort direkt vor der Bühne, kamen dort in Kontakt mit zahlreichen anderen Fans und abwechselnd kämpfte sich einer von uns an die Bar am anderen Ende der Halle um frisches Bier zu holen. Beim Bierholen wiederum hat es vermutlich geholfen, dass wir alle drei groß und schwer sind. Robert hat mit seinen alten Männern ganze 33 Songs und 3 Zugaben gespielt. Wir haben uns gefühlt wie mit 16: And again, and again and again…

Voodoo Jürgens im Badehaus (27.11.2016)

Die Karten für das schon lange ausverkaufte erste Berlin-Konzert der neuen Underground-Stars aus Wien hatte ich schon lange in der Schublade. Aber an diesem Sonntagabend echt keine Lust nochmal die Wärme der Wohnung zu verlassen. Wirklich keine Lust! Und natürlich wurde es dann ein Fest der Lebensfreude. Schon bei der Vorband „Uzzman & The Singing Rebels“ kam bei kaltem Bier aus Halbliterkrügen gute Stimmung auf. Das Konzert von Voodoo erlebten wir dann in ca. 30cm Entfernung zur Bühne, teilweise auch auf der Bühne. Obwohl wir nicht mal die Hälfte der Wiener Texte verstanden, war die Stimmung grandios und mein Handy wies nach dem Konzert exakt 10.763 (Tanz-)Schritte aus. We are a Voodoo Movement! Nach dem Konzert dann noch Schnaps mit dem Keyboarder und ein kurzer Besuch im engen Backstage-Raum. Dann war auch schon Zeit für das Taxi nach Hause.

Foals in der Columbiahalle (22.02.2016)

Die Foals aus England sind für mich immer eine sichere Sache und ich habe noch nie ein schlechtes Konzert erlebt. Und das obwohl ich schon an 6 Konzerte der Band teilgenommen habe. Eine sichere Sache ist auch der Sprung von Sänger Yannis Philippakis in die Menge. Gewöhnlich springt er aus beachtlicher Höhe von der Galerie oder vom Boxenturm. Die nächste sichere Sache ist ein Pogo-Mosh-Pit mit pulsierendem Action-Ruhe-Action-Muster. Am Schluss steht man mit verschwitzter Jeans und schweissdurchtränktem T-Shirt in der Berliner Kälte und nimmt noch irgendwo in einer warmen Pinte einen Absacker. So war es auch bei meinem 7. Konzert der Foals.

Lobend erwähnen möchte ich auch folgende Konzerte:
Wooden Shjips im Lido (10.11.2016)
Kurt Vile im Columbia Club (30.06.2016)
Wanda in der Columbiahalle (01.03.2016)

Weiterhin ärgere ich mich noch immer, dass ich Drangsal im Lido verpasst habe, und offensichtlich schwerwiegende Drogenprobleme DIIV vom Konzert in Berlin abgehalten haben.

Comebackversuch nach 4 Jahren Blogkoma

Noch etwas verwirrt.

Das der die Blog läuft ja noch!

Verwundert öffne ich vorsichtig meine Augen (eyes?), recke meinen Hals, die Finger wollen Futter und verlangen nachdrücklich nach einem Upgrade von Version 2 auf 10.

Was ist passiert seit dem allerallerallerletzten echten Post vor waaaahnsinigen 4 Jahren? Wir haben ja selbst unser 10 Jähriges um ein Jahr (sic!) komplett verschlafen. Huiii: die Zeit hat bekanntlich schnelle Beine. Rasend schnelle.

Wir sind raus! Blogfreunde weg, selbst Google kennt uns nicht mehr, Schäuble ist immer noch nicht Bundeskanzler, Snowden hat die NSA auf Links gedreht und Breaking Bad hat schon längst sein Ende gefunden.
Eine neue Partei Namens AFD treibt unsägliches Flüchtlings-Islam-Angst-Gesülze durch die Medienlandschaft, extremstemotional aufgebauscht – von allen Seiten – und extremstpräsent, sich selbst dadurch verstärkend, ein schier endloser Kreislauf, ein Hickhack, irre, unsachlich, geschichtsignorant, egoistisch, asozial.

Unverantwortlich.

Wo bleibt da der Spaß? Wir müssen wieder rein: Retrorockstarbloggen! Es wird wieder Zeit für ein wenig Reflexion. Anhalten. Nachdenken.

Na, m.a.c.k.e. und SACooper noch am Lesen? Auf die Plätze, kommentieren, los.

Wetten dass Felix Baumgartner der neue Frank Elstner ist?

Dass ein Energiedrink-geladener Österreicher aus einem Ballon springt und in einer High-Tech-Kapsel mit Überschallgeschwindigkeit auf die Erde fällt, ist mir eigentlich völlig egal. Ich verstehe die ganze Aufmerksamkeit für so einen Event überhaupt nicht, habe es mir aber mal genauer angesehen.

Es gibt also eine konzeptionell durchdachte Live-Show, die jeder dank niederschwelligen technischen Voraussetzungen auch mit Smartphone auf dem Sofa oder Tablett auf dem Klo verfolgen kann. Momentan sehen 2,4 Mio. Menschen den Live-Stream. In Relation zur Internetbevölkerung ist das nicht wirklich viel: Nur rund 0,24% der Facebook-Nutzer. Verglichen mit Harald Schmidts Zuschauerquoten ist das aber vermutlich schon okay. Das wichtige an diesem Event scheint mir das gemeinsame Live-Erlebnis zu sein.

Es ist die Wiederholung der Mondlandung von 1969. Einer der letzten sozial synchronisierenden Medienereignisse in einer digitalen Welt von fragmentierten On-Demand Erfahrungen. Hier geht es um den Gemeinsamkeit stiftenden Moment der Gleichzeitigkeit. Um das Gemeinschaftsgefühl und das Verlangen nach dem „echten Leben“ in Echtzeit. Keine YouTube-Konserve und keine Mediathek. Das ist auch der Grund, warum in einer Welt der zunehmenden Digitalisierung Live-Konzerte und Fußballspiele in großen Stadien die großen Gewinner sind.

Dieser Event ist das neue „Wetten Dass“, über das man morgen im Büro und auf dem Schulhof lästern kann. Es ist die Transformation der altbackenen TV-Show, die man ständig mit neuen Gesichtern vor dem Verwesungsprozess bewahren will. Felix Baumgartner ist der neue Frank Elstner. Nur leider ist das genauso langweilig wie die Liveübertragung von Außen-Wetten damals in den 80ern.

Wild Wedding

„Der Wedding kommt“ sagt und schreibt man scheinbar schon seit mehr als 20 Jahren. Als ich vor zwei Tagen zum ersten Mal eine Nacht den Wedding durchstreifte, habe ich davon noch nicht so viel bemerkt. Und das ist auch gut so!

Am Himmel stand der Blue Moon, es hatte gerade noch T-Shirt-Temperatur und mein Freund Andi erklärte sich bereit, mein persönlicher Wedding-Guide zu sein. Weiterhin gab es im Rahmen von Kolonie Wedding zahlreiche Vernissagen und Galerien zu besichtigen. Wir starteten unseren Abend mit Togoischem Essen im Relais de Savanne. In ziemlich uncharmanten Räumen gab es eine katastrophal gestaltete Speisekarte, leckeres Essen, tollen selbstgemachten Ingwersaft (Spezialrezeptur!) und sehr sympathischen Service. Unser Galerierundgang fühle sich an wie eine Mini-Version von 48 Stunden Neukölln mit Kunst, Performances, Malerei und vielen Video-Installationen. Es gab Hausfrauenkunst, Trash, halbwegs überzeugende und auch ein paar tolle Arbeiten. Das Vernissage-Publikum war überall sehr angenehm unprätentiös. Kein einziger Hipster! Man sprach Deutsch! Die sonst in Berlin so allgegenwärtigen Amerikaner, Spanier, Kanadier, Franzosen, Italiener und all die Skandinavier haben offensichtlich den Wedding noch nicht entdeckt.

Und genauso ging es dann in den zahlreichen Bars und Kneipen auch weiter. Publikum, Barpersonal und Räumlichkeiten fühlten sich an wie Prenzlauer Berg Ende der 90er. Ganz so, als ob Berlin keine globale Partyhauptstadt und Easy-Jet noch nicht erfunden wäre und die Künstlerszene in New York, Rio und Tokio noch nie von den scheinbar günstigen Lebenshaltungskosten in Berlin gehört hat.

Wedding be aware!
Wir brauchen nicht noch einen seelenlosen Ballermann wie den Friedrichshain.

Achtung: Dieser Artikel kann zur Gentrifizierung des Weddings führen.

John Gabriel Borkman im Prater

Ich habe 8 Tage gebraucht, um das Theaterstück „John Gabriel Borkman“ im Prater zu verdauen. Hier ist mein Ausscheidungsprodukt.

AUA! Diese Aufführung tut weh! Sowohl den Schauspielern als auch den Zuschauern. Das Stück dauert bis zu 12 Stunden (ohne Pausen) und hat den konstanten Lautstärkepegel einer Großbaustelle. Audiospitzen erreichen auch mal das Niveau eines startenden Flugzeugs. Die scheinbar bis zu 30 Schauspieler fordern sich den totalen Volleinsatz ab. Physisch und psychisch. Mir wurde erzählt, dass sie nach dem 12-Stunden-Wahnsinn regelrecht kraftlos umkippen.

Die Schauspieler bewegen sich allesamt stockend und ruckartig wie in einem alten Computerspiel aus den 80er Jahren. Sie sind nur die stummen Figuren des Regisseurs, denn wenn sie mal Laute oder gar kurze Sätze von sich geben, kommen diese von der Audioeffekt-Zentrale im Rücken des Zuschauerraums. Wie in einem überdimensionalen Comic kommen QUIETSCH, BUMMMMS, PLOP, BOING, KLACK, PENG und ***** in voller Lautstärke über die Beschallungsanlage des Raums. Gelegentlich gibt es mal einen einfachen Satz, der dann fast bis zur Besinnungslosigkeit x-fach wiederholt wird. „Leben ist Arbeit“ zum Beispiel. Leben ist Arbeit Leben ist Arbeit Leben ist Arbeit Leben ist Arbeit Leben ist Arbeit Leben ist Arbeit Leben ist Arbeit Leben ist Arbeit Leben ist Arbeit Leben ist Arbeit Leben ist Arbeit Leben ist Arbeit Leben ist Arbeit Leben ist Arbeit Leben ist Arbeit Leben ist Arbeit Leben ist Arbeit – auditives Copy & Paste bis zur vollständigen Trance der Zuschauer. Die Schauspieler tragen Gesichtsmasken im Stile von Anonymous oder der Occupy-Bewegung. Auch die Techniker im Hintergrund tragen Masken. Hier zeigt niemand vom Ensemble – bis auf eine einzige Ausnahme – das wahre Gesicht.

Das Bühnenbild ist ein knallbunter und handgemachter Papp-Komplex mit mehreren teilweise wechselnden Räumen, Türen, Bereichen, Gängen, Fenstern, Straßen und Strommasten. Auch die Bühne erinnert an einen handgemalten Comic. Gegenstände gibt es meist nur als zweidimensionale Pappen: Platzhalter ohne räumliche Tiefe, die „ich-bin-nur-Symbol“ schreien. Alles Theater also. Nix ist echt.

Wirklich echt ist nur der Regisseur Vegard Vinge! Der bewegt sich lässig und relativ geschmeidig und eben nicht künstlich verzerrt wie seine Marionetten-Schauspieler. Der Regisseur ist sowieso das zentrale Element in diesem Spiel. Immer unterwegs. Mal läuft er durchs Bühnenbild, hüpft in den Seitengängen, durchstreift die Zuschauerreihen oder gibt den Technikern im Kontrollraum Anweisungen. Er ist während der ganzen 12 Stunden auch der Einzige, der sprechen darf. So richtig echt und spontan und ganz ohne die üblichen Audioeinspielungen. Dazu hängen überall im Bühnenbild versteckt Mikrophone für ihn herum. Dabei wird seine Stimme Donald-Duck-mäßig verzerrt und man braucht eine ganze Weile, um seine Worte halbwegs zu verstehen. Optisch erinnert er an eine Mischung aus den Psycho-Killern in „Funny Games“ und „A Clockwork Orange“. Ich habe von Anfang an Angst vor diesem Typen.

Und ja: Der Regisseur pisst sich während der Aufführung mehrmals in den eigenen Mund, schießt kleine Urin-Fontänen in die Höhe und zappelt dabei wie ein Kleinkind, das etwas Verbotenes tut. Das Theater der Provokation ist zurückgekehrt: Grenzüberschreitungen und Körperflüssigkeiten auf und neben der Bühne.

Der Regisseur steckt sich Gegenstände in den Arsch oder lässt körpereigene Endprodukte daraus herausquellen. Er zerstört mit Händen und Füßen in brachialen Gewaltakten große Teile des Bühnenbilds oder zerschmettert die Sitzbänke von Zuschauern, die er gestikulierend von eben diesen vertreibt. Wie ein Lausbub sucht er ständig nach Möglichkeiten, irgendwelchen provokanten Blödsinn zu machen. Mit einer Papp-Pistole erschießt er mehrere Nackte und überschüttet sie mit rotem Ketchup-Blut. Eine gefühlte halbe Stunde malträtiert er eine Sexpuppe mit Messern, Sägen und Kunstblut in Ketchupflaschen, um dann den rot-verschmierten Kopf wie einen Fußball ins Publikum zu kicken.

Und trotzdem wird es der Aufführung überhaupt nicht gerecht, sie mit diesen Schock-Sequenzen zu beschreiben. Denn diese machen vielleicht 5% des Abends aus. Die restlichen 95% bestehen aus beeindruckendem Schauspiel, Humor, Film-Einblendungen, einem Live-Konzert, Interaktion mit Unbeteiligten auf der Kastanienallee, skurrilen Requisiten, marschierenden Soldaten, Skelett-Orchestern, Panzern aus Pappe und einer beeindruckenden Live-Audio-Synchronisation des Geschehens. Sind die Ohren von den Audio-Schleifen ermüdet, kann man die Augen auf die Suche nach Details schicken: Man findet immer irgendwo noch welche. Das zugrundeliegende Theaterstück „John Gabriel Borkman“ ist mehr als 100 Jahre alt, passt aber mit seiner Story vom Bankdirektor, der seine Bank mit illegalen Transaktionen in den Ruin treibt, wunderbar in die Jetztzeit.

Insider versichern uns, dass jeder Abend anders ist und dass zwischen den Aufführungen ständig neue Szenen entwickelt und geprobt werden. Die Bilder, die man als Zuschauer sieht, sind monströs und grell. Die Atmosphäre im Prater würde wahrscheinlich auch einem David Lynch oder David Cronenberg gefallen. Zu fortgeschrittener Stunde wurde das Publikum immer mehr Teil der Darbietung: Man schreit, tanzt und spricht miteinander. Die Pausen bestimmt man selbst und geht auf die Straße, um zu rauchen, Bier zu kaufen oder Hotdogs zu essen.

Verstörender Höhepunkt der Zuschauer-Interaktion war das Angebot des Regisseurs, Geld an einen Zuschauer zu bezahlen, der die kriechende Figur des Anwalts auf der Bühne anpinkelt. Nach einer Steigerung der Prämie von 10 auf 100 Euro erhob sich eine junge Frau und lief auf die Bühne. Ich traute meiner Wahrnehmung nicht mehr, wusste nicht mehr, wo ich bin. Endzeit! So muss sich die Endzeit anfühlen. Der Vorgang entfesselte einen Emotionssturm im Publikum und Parolen wurden laut: „Los, mach schon!“, „NEIN, TUE ES NICHT!“, „Gib diesem zynischen Drecksack von Regisseur nicht seine Genugtuung!“, „Scheiss auf die Volksbühne!“. In dieser Zuspitzung zeigt sich, um was es in diesem Theaterstück geht: große Emotionen! Wo liegen die Grenzen? Gibt es Grenzen? Ist das schon die Endzeit? Schließlich blieb ihre Hose oben und sie ging auf die Toilette.

Nachdem wir anfangs fast 4 Stunden ausgeharrt haben, ist unsere Gruppe für 2 Stunden gemeinsam in ein Restaurant gegangen. Und obwohl ich diese Pause irgendwie nötig hatte, so habe ich mich fast schon geärgert, als wir gegen 22 Uhr zurück kamen und nach dem Bühnenbild zu urteilen, viel passiert sein musste. Sofort haben mich die Schauspieler mit ihren skurrilen Bewegungsabläufen wieder eingefangen und mich in eine mir unheimliche Trance versetzt. Und obwohl es oft unerträglich wurde, konnte ich mich dem Wahn(sinn) nicht entziehen. Das Stück ist ewig lang, viel zu laut und besteht aus schrillen Wiederholungsschleifen. Aber es war so toll, dass ich es in den folgenden Tagen immer noch nicht ganz aus meinem System ausscheiden konnte.

Datalooliste – Alben 2011

Ich weiß: Es hört niemand mehr Alben. Der Track ist das neue Album. Die jungen Leute von heute kaufen, sharen, youtuben, groovesharken oder spotifien einzelne Songs. Der Gesamtzusammenhang des Albums ist dabei egal. Aber in Internetzeiträumen gesehen, bin ich Musik-Dinosaurier. Ich hab Radiosendungen auf BASF und TDK Chromdioxid-Kassetten aufgenommen und später CDs gekauft von denen ich in analogen Medien gelesen habe (mit Druckerschwärze und so). Gezählt hat für mich immer nur das Album, egal ob Kassette, Platte oder CD. Ein Album musste eine stimmige Musikwelt zwischen 40 und 74 Minuten eröffnen. Ich brauchte einen Fluchtort, einen Tagtraum, ein Partypaket oder eine einfach zu verklärende mystische neue Welt. Das Album war immer mehr als die Summe der einzelnen Songs. Und wenn nicht, dann war es bedeutungslos, langweilig und austauschbar.

Mir ist es auch heute noch so was von scheissegal, wenn es zwar diesen einen Super-Song, aber kein übergeordnetes tolles Album gibt. Alles okay fürs Ausgehen: In Bars und Clubs sollen DJs für mich auswählen und auf den Punkt bringen. Zuhause will und brauche ich aber ganze Alben!

Und hier sind meine Top-Alben 2011:

Chilly Gonzales – The Unspeakable
Außer dem Neo-Erik-Satie-Album „Solo Piano“ haben mich die Alben von Gonzales nie wirklich interessiert. Dann Gonzales in einem bizarren Setup (zwei Flügel und zwei Schlagzeugsets) am Berlinfestival live als Rampensau erlebt. In der Folge hat die Gefährtin allen Freunden und Bekannten dieses Album geschenkt. Ab da gab es keine sommerliche Autofahrt mehr ohne voll aufgedrehten Chilly. Die Platte hat mich vor allem mit ihrem überbordenden Humor gekriegt: Textlich und musikalisch ein großer und wirklich gelungener Witz!

All shall be well (and …): ROODBLAUW
Knapp 41 Minuten epischer Post-Rock mit schöner Leise-Laut-Dynamik. Zufallsentdeckung bei Bandcamp.

Apparat – The Devil’s walk
In den ersten Wochen ständig gehört weil wirklich viel Sonne drinsteckt, und ich diese nötig hatte. Feinster Romantik-Kram von Apparat der mit dem Vorgängeralbum „Walls“ auch schon mal auf dieser Liste war.

I Heart Sharks – Summer
Ein wirklich saudummer Bandname. Gut gemacht: Prägt man sich sofort ein! Beim ersten Durchhören als zweite deutsche Foals-Coverband klassifiziert (neben BeatBeatBeat). Trotzdem super PowerPartyMathElectroPop – und zwar das ganze Album!

Weitere Album-Sachen gibt’s bei Burnster und Argh. Das Dragstripgirl listet natürlich nur Einzelsongs.

Datalooliste – Konzerte 2011

Ja genau… ich wollte hier ja weitermachen. Und damit 2012 mit noch mehr bewusster Wahrnehmung abläuft, zwinge ich mich ab sofort jede Woche mindestens einen Blogbeitrag zu schreiben. Das Thema muss sich eben irgendwo in meinem Leben finden.

Heute geht’s los mit der traditionellen Datalooliste in der Kategorie „Meine Besten Konzerte 2011“. Ausgewählt aus meiner semi-peniblen Auflistung im Terminkalender (38 besuchte Konzerte in 2011).

PTTRNS im Lovelite (01.09.2011)
Multiinstrumentalisten mit Hang zum Percussion-Inferno. Live und auf Platte eine der wichtigsten persönlichen Neuentdeckungen in 2011.

Brandt Brauer Frick in der Volksbühne (18.12.2011)
Ihr „Mr. Machine“ Album war schon eine erfolgreiche Therapie gegen meine anhaltende Techno-Phobie (Anfang der 90er trug ich ein „Gib Techno keine Chance“-T-Shirt).

Das Konzert war eine hypermoderne Orchester-Aufführung mit Moog-Synthesizer und Schlagzeug und irgendwie so was wie die zeitgenössische Interpretation eines Abends bei den Philharmonikern.

Godspeed You Black Emperor im Astra (20.01.2011)
Seit dem Konzert 2002 in der Volksbühne nicht mehr live gesehen. Aber immer noch beeindruckend neo-hippiesk mit langen Haaren und riesigen analogen Filmprojektoren.

Farblich alles zwischen Rot, Orange und Feuer. Auch im Foyer der Astra-Konzerthalle.

Foals im Heimathafen (3.12.2011)
Hier bin ich befangen: Die Foals mag ich einfach. Erste Platte = Musikalische Revolution. Zweite Platte = Auch Super. Live = Immer ein Fest. Die letzte halbe Stunde des Konzertes habe ich im Moshpit verbracht und dort den Altersdurchschnitt mal eben um 15 Jahre nach oben gerissen. So getanzt und geschwitzt („Ihhh, der dicke schweißnasse alte Mann“) hab ich schon lange nicht mehr bei einem Konzert… Das letzte mal bei den Foals im Kesselhaus.

Auf dem Foto sieht man den Sänger Yannis Philippakis bei einer seiner üblichen Kletteraktionen: Er lässt sich von der Empore in die Zuschauermenge gleiten.

Es waren natürlich noch weitere gute bis sehr gute Konzerte dabei im letzten Jahr. Den Spezialpreis gibt’s für The Great Park und Mute Swimmer, die ich beide mehrfach live gesehen und genossen habe. Aber Fink, Feist und die Anderen schaffen es nicht ganz in meinen privaten Dataloo-Olymp.

Handtelefone 2011 – o2 Kein Netz

Wir schreiben das Jahr 2011. Naja, wir schreiben es nicht, wir tippen es meistens. Eigentlich haben wir hunderte Tools und Kanäle um miteinander zu kommunizieren: Email, Skye, iChat, ICQ, Lync, Facebook, IrgendwasVZ (gibt’s die noch?), Twitter, SMS, Chatroulette (gibt’s das noch?) oder Cocktailbars – um nur einige zu nennen. Und ausgerechnet eine der älteste Kommunikationsformen neben Morsen und Brieftauben funktioniert 2011 überhaupt nicht: Telefonieren! Es scheint fast so, als ob wir für einen technologischen Fortschritt in einem anderen Gebiet einen herben Rückschritt in Kauf nehmen müssen. Seit 1997 hab ich ein Handtelefon, genauso lange bin ich schon bei o2 (damals noch „Viag Interkom“), aber noch nie war das Telefonieren so schwer wie momentan: Verbindungen brechen nach wenigen Minuten ab oder man ist trotz Vollausschlag der Netz-Anzeige überhaupt nicht erreichbar. Falls dann ein Gespräch über das o2-Netz doch mal zustande kommt, ist die Sprachqualität oft so schlecht, dass man das Gespräch abrechen muss. Mit den wirklich unbrauchbaren Datenverbindungen in Berlin möchte ich gar nicht erst anfangen…

Der Berliner moeffju hat sich offenbar darüber bei o2 beschwert und wurde von der Hotline als Einzelfall deklariert. Daraufhin hat er die Plattform Wir-Sind-Einzelfall ans Netz angeschlossen. Inzwischen sind dort knapp 8000 Einzelfälle dokumentiert. Auch wenn man davon ausgehen kann, dass besonders genervte Menschen das Meldeformular gleich mehrfach ausfüllen, bleibt in der Summe eine massive und deutliche Zahl!

Neulich hat mir ein Freund sogar von der Kündigung einer o2-Mobilfunkantenne auf seinem Nachbarhaus erzählt. So steht zu befürchten, dass die offizielle „o2 Mehr Netz“-Kampagne von deren internem Controlling als „Kein Netz“ geführt wird.