Ich weiß: Es hört niemand mehr Alben. Der Track ist das neue Album. Die jungen Leute von heute kaufen, sharen, youtuben, groovesharken oder spotifien einzelne Songs. Der Gesamtzusammenhang des Albums ist dabei egal. Aber in Internetzeiträumen gesehen, bin ich Musik-Dinosaurier. Ich hab Radiosendungen auf BASF und TDK Chromdioxid-Kassetten aufgenommen und später CDs gekauft von denen ich in analogen Medien gelesen habe (mit Druckerschwärze und so). Gezählt hat für mich immer nur das Album, egal ob Kassette, Platte oder CD. Ein Album musste eine stimmige Musikwelt zwischen 40 und 74 Minuten eröffnen. Ich brauchte einen Fluchtort, einen Tagtraum, ein Partypaket oder eine einfach zu verklärende mystische neue Welt. Das Album war immer mehr als die Summe der einzelnen Songs. Und wenn nicht, dann war es bedeutungslos, langweilig und austauschbar.
Mir ist es auch heute noch so was von scheissegal, wenn es zwar diesen einen Super-Song, aber kein übergeordnetes tolles Album gibt. Alles okay fürs Ausgehen: In Bars und Clubs sollen DJs für mich auswählen und auf den Punkt bringen. Zuhause will und brauche ich aber ganze Alben!
Und hier sind meine Top-Alben 2011:
Chilly Gonzales – The Unspeakable
Außer dem Neo-Erik-Satie-Album „Solo Piano“ haben mich die Alben von Gonzales nie wirklich interessiert. Dann Gonzales in einem bizarren Setup (zwei Flügel und zwei Schlagzeugsets) am Berlinfestival live als Rampensau erlebt. In der Folge hat die Gefährtin allen Freunden und Bekannten dieses Album geschenkt. Ab da gab es keine sommerliche Autofahrt mehr ohne voll aufgedrehten Chilly. Die Platte hat mich vor allem mit ihrem überbordenden Humor gekriegt: Textlich und musikalisch ein großer und wirklich gelungener Witz!
All shall be well (and …): ROODBLAUW
Knapp 41 Minuten epischer Post-Rock mit schöner Leise-Laut-Dynamik. Zufallsentdeckung bei Bandcamp.
Apparat – The Devil’s walk
In den ersten Wochen ständig gehört weil wirklich viel Sonne drinsteckt, und ich diese nötig hatte. Feinster Romantik-Kram von Apparat der mit dem Vorgängeralbum „Walls“ auch schon mal auf dieser Liste war.
I Heart Sharks – Summer
Ein wirklich saudummer Bandname. Gut gemacht: Prägt man sich sofort ein! Beim ersten Durchhören als zweite deutsche Foals-Coverband klassifiziert (neben BeatBeatBeat). Trotzdem super PowerPartyMathElectroPop – und zwar das ganze Album!
Weitere Album-Sachen gibt’s bei Burnster und Argh. Das Dragstripgirl listet natürlich nur Einzelsongs.
apparat: schwül reaktionäre sakralromatik im angeblich von „elektronischer musik“ geadelten kontext(er). da sich ja „gerade alle darauf einigen können“ frage mich ganz unabhängig von wulff nicht in welcher republik, sondern in welcher zeit wir eigentlich leben (wollen).
chilly: unzweifelhaft sein schlechtestes album… aber da will ich gar nicht weiter ausholen.
der rest ist bestimmt gut!-,
Apparat hat mich mit den neuen Sachen auch nicht überzeugt. Live ganz besonders erinnert mich das sehr stark an Coldplay. Leider weichgespült und ohne Konturen. Eine irgendwie erstaunliche Wendung nach Walls und Moderat.
Meine fünf Platten des Jahres wären die folgenden.
Tokimonsta – Creature Dreams
Four Tet – Locked/Pyramid
SBTRKT – SBTRKT
Martyn – Ghost People
Teebs – Collections 01
bin ja auch ein saurier und ich möchte noch anmerken, dass ich damals sogar heiss diskutierte theorien mit meinen freunden aufgestellt habe, warum gerade dieser eine song die nr. 3 auf dem und dem album war oder warum der vorletzte song auf der B-seite (oha.. vinyl!) von album xy dann doch noch ein knaller war und ausgerechnet an dieser stelle stehen musste usw.. habe diese theorien aber leider inzwischen vergessen.
meine top5:
kurt vile – smoke ring for my halo
apparat – devil’s walk
dirty beaches – badlands
battles – gloss drop
und leider 2010 ignoriert, aber deshalb 2011 umso mehr in meiner dauerschleife gewesen:
twin shadow – forget
Ich dachte eigentlich, dass es Singles vor Alben gab und das Konzeptalbum erst in den späten 60ern entstanden ist. Meine Hörgewohnheit variieren je nach Gelegenheit: Beim Laufen einzelne Songs (nicht unbedingt die offiziellen Singles), beim Arbeiten Alben. Was habe ich dieses Jahr an „ganzen Alben“ (wholewheat records) gehört? Wie immer Altes: Godspeed, Coil, Archive, Explosions in the Sky, Daelek. Der Dinosaurier bin ich.
@Zuckermann: Super, dass das hier so polarisiert. Ich find Apparat und the Unspeakable aber trotzdem gut! Zumindest besser als die anderen Alben die 2011 mein Ohr erreicht haben. Und das waren nicht so viele…
@Toralf: Danke für deine Top5.
@Silke: Danke für deine Top5. Und der Hammersong muss natürlich immer an 2. oder 3. Stelle aufs Album.
@Heather: Es ging hier aber um die Besten aus 2011 und nicht um das was man so hört.
also man ist ja keen dinosaurier auch nicht wenn man keinen mp3 player besitzt (noe och keen mp3 faehiges handy oder gar ihh-phone) und zuhause auf seiner nicht internefaehigen pc-kiste ganze 3 mp3´s jespeichert hat: menschen bleiben menschen voellig unabhaengig von irgendwelchen konsum geraeten die sie besitzen oder nicht! aber aus dem herzen mac hast du mir gesprochen mit dem musik album! so ein album -wenn es ein gutes ist- ist immer ein gesamtkunstwerk und ja es ist ganz wichtig das ganze album zu betrachten und zu geniessen! schliesslich ist das das ganze kunstwerk und immer auch ein ausdrucke eines lebensabschnitts des der jeweiligen kunstlers kuenstlerin!
@sayimsorry: natuerlich ist die reihenfolge der lieder auf einem album ganz dolle wichtig! da laesst sich gerne drueber diskutieren!
bin beeindruckt Mac, dass Du sehr viele Alben hörst und darunter dann auch noch ’ne Menge entdeckst, die Dir gut gefallen (ganz im Ernst, vier für den Zeitraum eines Jahres finde ich schon sehr viel). Mir gelingt das leider nicht, ich wills auch gar nicht nur aufs Internetzeitalter schieben, aber Tatsache ist, ich bin auch eher zum „Trackhörer“ und „Trackkäufer“ mutiert. Ich finde – warum auch immer – selten Alben,
die mich durchgehend überzeugen, was natürlich auch daran liegt, dass ich vielleicht insgesamt zu wenige mir ausdauernd und geduldig anhöre.
Welches Album 2011 mir gut gefiel:
Crystal Stilts „In Love with Oblivion“
Mit Abstrichen würde ich auch PJ Harveys „The Words That Maketh Murder“ noch nennen,
in Erinnerung behalten vor allem wegen dem guten Live-Konzert im Zirkus Krone im Sommer diesen Jahres.
(hätte ja noch gern Rose Elinor Dougall „Without Why“ aufgelistet, doch habe dann gelesen, dass das Debutalbum der ehemaligen Pipettes-Sängern bereits 2010 veröffentlicht wurde :-)
Ansonsten, schöne Neuentdeckungen waren für mich 2011: Standard Fare, Avi Buffalo, Veronica Falls
schönste (Wieder-)entdeckung 2011: The Monochrome Set (alte Post-Punk-Helden), „very underrated band“ würde vermutlich ein Benutzerkommentar auf last.fm lauten ;-)
nochmal icke wegen dem ‚album‘! hier ein kurzer ausschnitt ausnem kate bush interview:
Wie wichtig ist Ihnen kommerzieller Erfolg heutzutage?
Bush: Nicht so unwichtig wie Sie vielleicht annehmen: Von mir gibt es ja verhältnismäßig wenige Platten, weil ich immer so lange brauche. Und im größten Markt der Welt, den USA, war ich immer eher ein Außenseiter. Außerdem werden immer weniger Platten verkauft. Dazu kommt, dass das Album als Kunstform deutlich an Bedeutung verloren hat. Und ich bin ja keine Single-Künstlerin, sondern konzentriere mich auf Alben.
Warum bedeuten Alben nichts mehr?
Bush: Vielleicht, weil viele Menschen immer weniger Zeit haben, ihnen die Ruhe fehlt, sich auf eine Sammlung von Songs überhaupt einzulassen? Ein Jammer! Für mich war es als Teenager ein tolles Ereignis, in einen Laden zu gehen und ein Album zu kaufen. Aber heutzutage sind viele Alben lieblos zusammengeschludert, mit ein, zwei guten Songs und viel Füllmaterial. Das mag auch ein Grund für den Niedergang der Kunstform sein. Aber vielleicht muss man akzeptieren, dass die Menschen nur noch Tracks auf iPods hören möchten.
Besitzen Sie einen iPod?
Bush: Nein! Der Klang ist doch entsetzlich.
Lustig, dass Kate Bush gerade wieder voll angesagt ist. Und Stevie Nicks. Fühle mich wieder wie ein Kind, nur nicht so scheiße.