Es ist ein Klischee aus den aktuellen Lifestyle-Medien: Menschen sitzen mit Laptops im Cafe und arbeiten dort bis der Akku leer ist. Die neuen Propheten schreiben diese Form der Cafe-Arbeit in die Schuhe der Digitalen Bohème. Gelegentlich wird diese Arbeitsweise auch dem neuen akademischen Prekariat zugeschrieben: Den Urbanen Pennern. Na jedenfalls bin ich gerade aus der alltäglichen Enge meines Heimbüros in eines der zahlreichen „Hier kostenloses WLAN“-Cafes des Prenzlauer Berges entflohen. Der neue Powerakku muss allerdings seine 6 Stunden Laufzeit unter WLAN-Last erst noch beweisen. Und obwohl ich jetzt seit über 4 Jahren selbständig bin, betätige ich mich zum ersten Mal, zumindest in meiner direkten Nachbarschaft, als Cafe-Arbeiter. Das Bild der individuellen Selbstverwirklicher-mit-Powerbook-im-Cafe-Sitzer wird ja in Zeiten des erstarkten Wirtschaftsbooms gerade wieder durch das viel ältere Bild der Manager-mit-Business-Notebook-im-Flugzeug-Sitzer abgelöst. Das Klischee der 30-Jährigen Laptop-Täter in Cafes ist inzwischen auch bei Bunte, RTL und der Bildzeitung schon wieder auf dem absteigenden Ast. Scheint fast so, als wäre ich mal wieder anti-zyklisch unterwegs. Egal – Hier sitze ich nun mit Catering-Service der mir grade ein Kännchen Earl Grey bringt. Im Gegensatz zu dem Jungjournalisten mit schlankem weißem Apple („Puderdose“), benutze ich ein altes PC-Schlachtschiff Anno 2002 von Toshiba, aber ich trinke ja auch Tee und keine Latte…
Von der Umfeld-Beobachtung zur Selbst-Beobachtung: Erstaunlicherweise fällt mir auf, dass ich in den letzten Stunden wesentlich konzentrierter an meiner To-Do-Liste arbeitete als ich das üblicherweise im Home Office mache – und das trotz der massiven Geräuschkulisse von Espressoautomat, schreienden Prenzlbergerkindern und der schlechten Musik in diesem Etablissement. Hier kam ich erst gar nicht auf die Idee mich durch Nebensächlichkeiten ablenken zu lassen. Auch wenn ich erst nicht weghören konnte, als der Jungjournalist („momentan studiere ich noch Kulturwissenschaften…“) mit Handy eine Medienredaktion nach der anderen anrief um seinen Artikel „über Reichtum und Armut in Deutschland“ in irgendeiner Zeitung unterzubringen. Irgendwann verschwand der Journalist mitsamt Kellnern, Kindern und Krautrock in meiner Ignoranzwolke und ich konnte mich voll und ganz auf meinen Bildschirm und meine Aufgaben konzentrieren. Genauso wie ich jetzt in Höllentempo diesen Artikel runtertippe den ich gleich auch direkt aus dem Cafe veröffentlichen werde. Hey, voll cool: Cafe-Blogging?! Der Akku zeigt noch immer 45% Ladekapazität aber ich werde jetzt doch aufbrechen, denn es wird kalt hier – warum hab ich mit dem Digitale Boheme Quatsch nicht schon im Sommer angefangen?
Yeah baby. Ignoranzwolke, sehr geiler Ausdruck.
Sechs Stunden im Cafe den Platz belegen und gerade mal eine Tasse Tee konsumieren. Du gehörst wohl kaum zu den beliebtesten Gäste der Besitzer. Nicht zu verdenken wenn zukünftig in den Getränke und Speisekarten auch Angaben über die maximal zu verbleibende Zeit gemacht werden.
Eine Tasse Earl Grey…..0,3dl…..1€….30min
sehr nettes wlan café house bloging! ja klar mann: oefters mal die gewohnheiten brechen: dit bringtz imma! wie´s scheint hattest du deine freude daran und deine arbeit erledigt: sehr fein! leider ist meine ignoranzwolke zu kleen nicht folgendes noch anzumerken: digitale penner -aeh- ‚urbane penner‘ sind definitiv kein praekariat und friebe/lobo sind definitiv keene propheten: och keene neuen…
@David: Ignoranz ist meiner Meinung nach der Kern der Internet-Medienkompetenz.
@winnie: War eine Kanne (0,4L) Earl Gray für immerhin 3,60€, dafür bleibe ich lange sitzen. Und sowieso sind die Cafes mittags nicht ausgelastet, so dass ich keinem potentiellen Gast den Platz wegnehme… Und volle Cafes sind immer beliebter als leere.
@macke: Rein finanziell gibt es unter den Cultural Creatives/Urbanen Pennern durchaus prekäre Fälle, nicht alle haben einen Grossgrundbesitzer-Background.
sehr schoener beitrag!
auch dem link zu mercedes-bunz bin ich gefolgt. hat mir gefallen,
so ueber unsere hauptstadt zu lesen.
Hm also ohne Apfel-Computer darf man das eigentlich nicht machen. Ich kenne mich ja im dicken B nicht aus, also gestern einfach aus der U gefallen und in so ein Café reingehüpft und schon saß da einer mit seinem Ei-Buk, aber der Kaffee war gut, nur wie die Haltestelle hieß weiß ich nicht mehr, ich bin eben ein kleinstädtisches Landei und nur ab und zu mal hier. (Und ich habe weder einen Apfel noch einen Akku, der länger als 30min hält. Ich bin uncool. Mist.)
habe kürzlich, anlässlich neuem am horizont auftauchenden i-schnickschnacks, auch in diese schon etwas ausgeschliffene, kerbe gehauen.(bin der zeit auch immer etwas hinterher) solange sie bei ihrer cafebesetzung noch einen pc nutzen, ist das ganze sogar irgndwie sympathisch.
Merke: Als Bohème lebt’s sich bequem – ODER: Schau sie nicht an die Penner, denn es sind ja sowieso nur Männer!