Medien mau und Spon spinnt

Es fällt nicht leicht in diesen Tagen zu Good News zurückzukehren… denn: polemisch und absolut voreingenommen proklamiere ich:

Medienversagen. Ganz klar:

Dem Spon und auch anderen scheint Thierses Nullkommaeinpromille-Eklat um startseitenlängen wichtiger als die fragwürdige Zustimmung des Bundestages zur Vorratsdatenspeicherung und wenn ich die energisch zusammengesammelten Kommentare diverser Politiker (99% CDU!!) zum Thema Thierse anschaue, erscheinen mir drei Dinge möglich:

  • Politiker äußern sich immer und vor allem auch gerne zu gesellschaftlich toprelevanten Themen nur filtern die Medien leider nach Hypepotential und für sie möglichst geringem zeitlichen und intellektuellen Arbeitsaufwand vorher (oder wenn´s sein muss eben nachher) aus und liefern am liebsten Betastories
  • Politiker dissen einfach gerne bei jeder sich bietenden Gelegenheit andere Kollegen, denn emotional geht besser von der Hand und Parteienbashing ist schließlich vieeeel cooler als sich mit Sachkenntnis in Sachfragen konstruktiv zu befassen und dann auch noch öffentlich dazu Stellung zu beziehen
  • Der Fall Thierse/Kohl ist tatsächlich viel schlimmer in seiner Auswirkung auf unsere Gesellschaft als die beschlossene Vorratsdatenspeicherung und das allein nur wegen der von Thierse ausgesprochenen und von Kohl angenommenen Entschuldigung – undenkbar welche Folgen das für zukünftige Eva-Herrmann-Eklats haben könnte …

Andererseits:

Liebe Großmedien, der Zug Vorratsdatenspeicherung ist längst abgefahren und die meisten von euch haben´s verpasst sich dem Thema zeitig und kritisch und dauerhaft genug anzunehmen. Vielleicht schafft ihrs ja doch noch mit aufzuspringen…

… die Liste der Datenspeicherprojekte ist ja – man möchte fast sagen: ein Glück – noch länger.

Datamining & Vorratsdatenspeicherung

Also doch – bisher hielt ich es lediglich für eine evtl. jetzt schon einkalkulierte Option, entsprechend der neuerlichen Forderung zur Ausweitung der LKW-Mautdatenerhebung auf den gesamten Verkehr, sowie zur Speicherung dieser Daten auf Vorrat, damit diese dann nicht nur zur Abrechnung sondern auch zur Strafverfolgung herangezogen werden können. Aber nach dem Artikel in der futurezone des ORF ist mir mehr als schlecht: in kürzlich öffentlich gemachten Dokumenten (1, 2) des ETSI (European Telecom Standards Institute) sind technische Schnittstellen zum Zugriff auf gespeicherten Telekommunikations-Verkehrsdaten skizziert, die (soweit es denn gesetzlich erlaubt wird) auch für (präventives) Datamining verwendet werden könnten (Quelle futurezone):

  1. Eine Einzelanfrage basierend auf einem einzigen Anfragekriterium
  2. Multiple Anfragen basierend auf aggregierten Einzelanfragen
  3. Anfragen, die auf einer Reihe von Anfragekriterien basieren
  4. Assoziierte Anfragen

Deren mögliches Ergebnis:Personenprofile, Gruppenzugehörigkeit, Gefährdungspotentiale.

Ich bezweifle allerdings, daß die vorgesehenen Zugriffsmöglichkeiten (technisch) restriktiver implementiert werden könnten.

Die Zugriffsmöglichkeit (inhaltlich, behördlich) wird letztlich gesetzlich reglementiert werden müssen und das heißt dann: Vertrauen in die rechtlich richtige Anwendung ist unabdingbar. Oder anders formuliert: Mißbrauch ist (quasi) vorprogrammiert, auch dann wenn die Infrastruktur von Datenspeicherung und -abruf so sicher wie möglich implementiert wird – denn: eine 100% Sicherheit kann es nicht geben.

Ob allerdings jemals eine rechtliche Grundlage für die VDS (auch europaweit) geschaffen werden kann ist absolut zeifelhaft, aber leider aufgrund der fortwährenden Äußerungen der Bundesregierung auch absolut denkbar.

Um dem geplanten Vorhaben einen Riegel vorzuschieben muß eine grundsätzlich, rechtliche Entscheidung hereine gemeinsame Verfassungsbeschwerde initiiert vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung könnte dieser Riegel sein.

Wer daran teilnehmen möchte, bitte nicht vergessen, daß die Vollmacht schriftlich (per Post) vorliegen muß – also diese bitte ausdrucken, unterzeichnen und an den vertretenden Rechtsanwalt senden.

[nachgereicht]

Im Wiki des AK VDS gibt es eine Analyse der Dokumente. Treffend auch der Kommentar von Kai. Der Prozess der technischen Spezifikation scheint demnach auch mit den im ORF-Artikel genannten Beteiligten üblich – letztlich sind die politischen Motive die zur VDS (und damit auch zu diesen Dokumenten führen) maßgeblich und diese müssen hinterfragt werden.