re:publica in a nutshell

Gleichermaßen beeindrucken und erschreckend empfand ich das multiplizierte Aufmerksamkeits-Splitting bei der re:publica. Während der Vorträge (und auch die so genannten „Workshops“ waren Frontal-Unterricht) konnte man beobachten, wie gut die Hälfte der Besucher mit Ihren Laptops rumwurschtelt. Politisch unkorrekt hab ich mir dann die Klapp-Bildschirme meiner Umsitzer genau angesehen und das Multitasking analysiert. WordPress-Interfaces sprachen für Live-Blogging, andere kommentierten fleißig wieder andere, einige Male wurde via Xing gecheckt, wer da vorne auf dem Panel überhaupt sprach. Oder man sah sich das kommende Programm der re:publica an, um zu sehen was man gerade verpasst, und zu welchem Vortrag man wechseln könnte. Jedenfalls waren irgendwie nur wenige in der Gegenwart, sondern verstreuten ihre Aufmerksamkeit via Tastatur und Bildschirm über das freie Konferenz-WLAN.

Über die Selbstreferenzialität der Veranstaltung wurde bereits an einigen Stellen diskutiert, und auch ich konnte dieses Kochen im eigenen Blog-Saft förmlich spüren. Beängstigend auch wie stark mancher in seinem digitalen Leben 2.0 verankert ist. Die SMS eines anonymen Besuchers auf der Beamerwand brachte das gut auf den Punkt: „Blogger: Get a Life!“.

Inhaltlich waren die Vorträge und Panels nur mäßig spannend und erhielten für Digitalisten nur wenig Neues. Toll hingegen fand ich die humorigen Anteile wie „So geht Internet!“ mit hohem Prust-Faktor oder „Caption This“ mit der wirren Riesenmaschine und natürlich das finale „Powerpoint Karaoke“. Erfrischend anders auch die zarte Blog-Vorstellung der Queen of New Media Art.

„… Berlin is great! Berlin means no money and a lot of art …“
„… they discover art in Berlin and bring it to London for the money …“.

Letztlich war es dann halt ein Stammtisch von Ins-Internet-Schreibern von denen ich dann auch noch ein paar (viel zu kurz) persönlich kennen lernen: Martin, Alex, Rene, Frank, ix, Ronnie und Hausmeister PachulkeCHEERS!

Und leider war die bierträge Menschentraube vor dem New Thinking Store dann nicht dazu zu bewegen, als Flashmob die Vernissage auf der anderen Straßenseite zu fluten. Schade.

Warum ich blogge

Als Teenager habe ich auf der Schreibmaschine meiner Eltern ein „Familienblatt“ zusammengestellt. In diesem 2-Seiter mit 1er-Auflage gab es wichtige Familien-Nachrichten (Vater macht Feuerwehrübung mit), Bilder (schlechte Fotos aus der Kompaktkamera), selbst gemachte Rätsel und sogar schon Gewinnspiele.

Später hätte ich so gerne irgendein Fanzine gemacht, egal ob zu Indie-Rock, The Cure oder den Pixies – das hab’ ich aber nicht. Das Mitwirken bei irgendwelchen Schüler- oder Abi-Zeitungen wurde mir durch interne Schulpolitik und die ganzen Wichtigtuer in der Redaktion vermiest. Und später auf der Uni wollte ich mit Dirk (ja, genau dieser Dirk mit dem ich hier das Dataloo mache!) mal ein total subversives Hochschul-Magazin mit dem Namen „H“ (gesprochen „Age“) machen. „H“ sollte anonym publiziert werden (für maximale Redefreiheit innerhalb der Uni), und in wenigen Exemplaren in der Nähe von Kopiergeräten verteilt werden. Geplant war, dass die riesige Leserschaft das Magazin auf den Kopierern vervielfältigt und weiterverteilt. Haben wir aber auch nicht gemacht.

Und um die ganzen Kindheits- und Jugendträume dann doch noch zu verwirklichen haben wir als Thirtysomethings dann Dataloo gegründet.

Die Technik und das Internet ermöglichen, dass jetzt jeder weltweit (mit Internetzugang) meine Gehirnfürze lesen kann. Cheers!

Rundumschlag durch deutsche Blogs

Argh zum Beispiel ist das Blog-Urgestein in Deutschland, als alle noch private Homepages mit sich drehenden Briefkästen („Elektropost“) bei Geocities hatten, betrieb Frank schon Anfang 2002 sein lautmalerisches argh! und tippte oft genau dieses Gefühl mit Kleinbuchstaben in sein Indie-Blog. Inzwischen ist es dort etwas ruhiger geworden, man muss ja das Berliner Tag- und Nachtleben aufsaugen, aber der Rauschmelder zeigt noch immer die zentralen Röck-n-Röll-Termine unserer Hauptstadt.

Der selbstbewusste Wannabe-Rapper und Holsten-Trinker MC Winkelsen serviert gerne leichte Kost in besonders pikanter Schreibe. MC ist bekennender Hedonist, Narzisst, Rampensau und eigentlich auch einer der ersten deutschen Videoblogger. Inzwischen beherrscht er auch den Videoschnitt etwas besser, benutzt aber weiterhin trashige Cliparts für seine Videos und Blog-Collagen. Er ist auch das deutsche Aushängeschild wenn es um das verbale Benennen von Körperflüssigkeiten geht. Geil Alter, ich hoffe du übernimmst schleunigst „Wetten Dass“, damit man samstags endlich wieder die Röhre einschalten kann!

Mit Rene von Nerdcore möchte man eigentlich nach jedem zweiten seiner Postings ein Bier trinken gehen: ein authentischer Sympath durch und durch. Der Querkopf ist außerdem noch ein phantastischer Grafiker und Autodidakt der immer mal wieder sehr offen über seine Jugend, Drogen oder auch Zombis spricht. Außerdem hat Rene einen delikaten Musik– und Filmgeschmack (naja, mit Abstrichen halt – da unterlaufen ihm schon mal kleine Fehler).

Basic Thinking ist wohl eines der deutschen Blogs mit der höchsten Posting-Frequenz: Da geht man kurz mal Mittagessen und findet danach schon wieder 11 neue Beiträge – Macht der Robert eigentlich noch was anderes? Hier geht es um Technologie, Blogs, Online-Werbung, Suchmaschinen und alles was sonst noch so thematisch zwischen Wired, Heise und Spiegel liegt. Robert kommuniziert öffentlich was er mit dem Blog verdient und ist auch meist der erste der eine frische Sau entdeckt, die dann zwei Tage später durch die gesamte Blogosphäre getrieben wird.

Und Spreeblick hat die Ur-Sau des deutschen Internets entdeckt: Mit seinem Jamba-Kurs zeigte Johnny was da wirklich hinter dem Klingelton-Business steckt. Spreeblick ist aber nicht nur deshalb eines der bekanntesten deutschsprachigen Blogs, sondern auch weil es wirklich gut ist. Trotz des Profi-Blogger-Anspruchs (oder genau deswegen) wird hier sehr transparent mit allen internen und externen Themen umgegangen. Auch wenn die von Johnny Häusler geschaffene Gesamtqualität in letzter Zeit etwas durch die exponential steigende Anzahl von Co-Autoren verwässert wird, bleibt Spreeblick die experimentelle Spreespitze Speerspitze zum Thema Fulltime-Blogging in Deutschland – und auch das Blogger-Äquivalent zum Heise-Portal.

Felix betreibt mit Wirres ein „das-prangere-ich-an“ Blog, das eindeutig als eines der wenigen politischen in Deutschland durchgeht. Vordergründig ist Wirres zwar kein Polit-Blog, aber doch unter der Haube mindestens ein Netzpolitik Blog. Mit viel Witz fasst ix (auch in kleinbuchstaben) gerne mal große Hypes zu zentralen Aussagen zusammen und bloggt auch schon lange nicht mehr, sondern schreibt einfach nur ins Internet rein. Gerne wird hier auch mal das gute A-Wort verwendet.

Im Vergleich zu diesen Blogs wirkt Dataloo so profillos und unsortiert wie ein Tante Emma Laden des Internets. Zwar findet sich hier und da mal etwas zu Musik oder Kultur, aber für vernünftige Kategorien reicht es bei uns einfach nicht. Wir schreiben einfach viel zu viel Trash. Aber vielleicht ist ja genau das unser Profil?

Bewusst erleben

Das Schreiben hier in Dataloo macht mir gerade nicht nur deshalb so viel Freude, weil es eine fortlaufende spannende Schreibübung ist, sondern auch weil es mich oft bewusster leben und erleben lässt. Meine Wahrnehmung der Umwelt verschärft sich, denn es könnten ja überall kleine Geschichten lauern. Was ist schon dabei, mittags mal ein schlechtes Restaurant zu erwischen: Früher war’s nur Ärger, heute kann ich mich daran erfreuen und beobachte genau was alles trashiges passiert – die kleine Handkamera immer im Anschlag. Das Interessante und Spannende liegt überall: In der Großstadt und auf dem Land, in Gruppen, oder wenn man ganz alleine ist. Egal ob Sekt oder Selters, finanzielle Unabhängigkeit oder Hartz IV: Immer schön Augen und Ohren offen halten und die Welt reinlassen.

Wenn ich hier mal länger nichts schreibe, dann liege ich unter einem Haufen Arbeit, will nichts passieren sehen, möchte es nicht teilen, bin faul oder lebe eben völlig unbewusst vor mich hin – Shit happens.