Berlin, Hauptstadt des Trashs – Hier muss man sich kulturell nicht mit konventionellem begnügen, sondern kann sich an professionellem Dilettantismus erfreuen. Gestern spontan für einen Abend in der Volksbühne entschlossen: „Alles neu Extravaganza Vol. 1“.
Erfrischend unvorbereitet und ohne Überblick über den Ablauf des Abends moderiert sich Francoise Cactus (Stereo Total) mit ihrem Schmidt-Sidekick-Fransösisch ins Chaos. Sie bittet irgendwann Gina V. D’Orio auf die Bühne, die dort auf einer Schaukel zwei nette minimalistische Coversongs zum Besten gibt. Dann ein Knet-Animationsfilm auf der heruntergelassenen Filmleinwand und schließlich das erste Highlight des Abends: Die New Yorkerin „Little Annie“ die uns mit ihrer Tiefe fasziniert. Mit ihrem leicht hyperaktiven Pianisten reduziert sie Klassiker auf das Maximale: Gesang und Klavier. So werden aus „Private Dancer“ (T. Turner) und „I Still Haven’t Found What I’m Looking For” (U2) intensive Minuten die auf meinem Unterarm Gänsehaut verursachen. Little Annie ist das weibliche Gegenstück zu Johnny Cash!
Nach einer Pause kommt mein eigentlicher Beweggrund heute Abend hier zu sein: „Von Spar“ aus Köln spielen eines der beiden Stücke von Ihrem neuen Album „A. Xaxapoya“, und zeigen wohin sich deutschsprachiger Neo-Punk entwickeln kann: Nämlich zu akribisch inszenierten theatralischen Soundflächen die einen wuchtig umschlingen. Die Jungs sind echte Sound-Nerds und trommeln sich und uns, auf dem Hintergrund einer Videoprojektion, in ihre Neudefinition von Musik. Dann erzählt uns Wolfgang Müller etwas über das Penis-Museum in Reykjavik und der Abend endet mit dem Organisator Khan of Finland der mit seiner Band (Piano & Beatbox) noch ein paar Trash-Songs inszeniert. Nachdem eigentlich schon Schluss ist, stürzt die Barfrau aus dem Bühnenbild nach vorne, wird dort zum Barmann und treibt mit einem geschrienen Lied den Trashfaktor auf die Spitze.
Ein gelungener Abend mit modernem Entertainment-Konzept: Kein abendfüllender Headliner, sondern eine Mischung von Trash, Travestie und Kunst in kleinen 20-Minuten Dosen – Also genau das Richtige für uns medienverseuchte Großstädter mit kleinen Aufmerksamkeitsspannen. Wann kommt Vol. 2?