Medien mau und Spon spinnt

Es fällt nicht leicht in diesen Tagen zu Good News zurückzukehren… denn: polemisch und absolut voreingenommen proklamiere ich:

Medienversagen. Ganz klar:

Dem Spon und auch anderen scheint Thierses Nullkommaeinpromille-Eklat um startseitenlängen wichtiger als die fragwürdige Zustimmung des Bundestages zur Vorratsdatenspeicherung und wenn ich die energisch zusammengesammelten Kommentare diverser Politiker (99% CDU!!) zum Thema Thierse anschaue, erscheinen mir drei Dinge möglich:

  • Politiker äußern sich immer und vor allem auch gerne zu gesellschaftlich toprelevanten Themen nur filtern die Medien leider nach Hypepotential und für sie möglichst geringem zeitlichen und intellektuellen Arbeitsaufwand vorher (oder wenn´s sein muss eben nachher) aus und liefern am liebsten Betastories
  • Politiker dissen einfach gerne bei jeder sich bietenden Gelegenheit andere Kollegen, denn emotional geht besser von der Hand und Parteienbashing ist schließlich vieeeel cooler als sich mit Sachkenntnis in Sachfragen konstruktiv zu befassen und dann auch noch öffentlich dazu Stellung zu beziehen
  • Der Fall Thierse/Kohl ist tatsächlich viel schlimmer in seiner Auswirkung auf unsere Gesellschaft als die beschlossene Vorratsdatenspeicherung und das allein nur wegen der von Thierse ausgesprochenen und von Kohl angenommenen Entschuldigung – undenkbar welche Folgen das für zukünftige Eva-Herrmann-Eklats haben könnte …

Andererseits:

Liebe Großmedien, der Zug Vorratsdatenspeicherung ist längst abgefahren und die meisten von euch haben´s verpasst sich dem Thema zeitig und kritisch und dauerhaft genug anzunehmen. Vielleicht schafft ihrs ja doch noch mit aufzuspringen…

… die Liste der Datenspeicherprojekte ist ja – man möchte fast sagen: ein Glück – noch länger.

Großmutter Paranoia

Heute einen langen Abend mit meiner 87-jährigen Oma verbracht. Geistig noch fit, aber viel von dieser Fitness steckt sie leider in ihre Paranoia. Angefangen hat das alles vor etwa 2 Jahren: Seither wird (fast) jeder in ihrem Umfeld verdächtigt. Ein Mieter klaut ihr nachts im Keller Heizöl aus der Zentralheizung (Beweis war ein ölverschmierter Fleck auf dem Boden). Dann kamen die Vögel, die sie früher auf ihrer Terrasse fütterte, plötzlich nicht mehr, da der Nachbarsjunge mit einem Gewehr auf sie schießt (schließlich ist er ja bei der Bundeswehr). Nachdem sie den Öl-Dieb-Mieter losgeworden ist, hat sich der Nachfolger (ein normaler Familienvater) heimlich Schlüssel ihrer gesamten Türschlösser nachgemacht und benutzt hinter ihrem Rücken ihr Badezimmer (um bei sich selbst Heizkosten zu sparen) und schneidet sich dort scheinbar auch die Haare. Als sie ihm gegenüber die Verdächtigung äußert, er würde in ihrer Abwesenheit in ihre Wohnzimmerpflanzen urinieren, beschließt er freiwillig auszuziehen. Die aktuellen Mieter verfügen scheinbar auch über Zweitschlüssel (obwohl sie nach dem letzten Mieter diverse Schlösser austauschen ließ) und schleichen nachts in ihren Gemächern umher. Als vor ein paar Monaten ihre weit über 20-jährige Katze gestorben ist, behauptete sie, der Sohn des Mieters hätte mit einer Eisenstange die Katze zu Tode gefoltert. Um diese Behauptung zu untermauern rief sie auch die Polizei. Ob sie denn nicht ihre Türen abschließe, wollte der Polizist wissen. Sie erwiderte: „Natürlich, aber die kommen überall rein“. Meine Eltern und die Frau, die sie regelmäßig betreut, versuchten sämtliche Vorwürfe mit vorsichtigen Hinweisen auf deren Absurdität zu entkräften. Aber sie bleibt bei ihrer Meinung. Schließlich schlägt ihre Betreuerin die Obduktion der toten Katze vor. Der Tierarzt diagnostiziert Tot aus Altersschwäche und kann keine Fremdeinwirkung feststellen. Auch das reicht nicht. Oma behauptet nun, der Mieter hätte den Tierarzt bestochen und so eine Falschaussage erwirkt.

Paranoia

Über diese ganzen Themen habe ich heute mehrere Stunden ruhig und teilweise besonnen mit ihr geredet. Konnte ihr die Absurdität ihrer Unterstellungen aber nicht klar machen. Bis auf die Tatsache, dass sie aufgrund einer Makuladegeneration inzwischen wirklich sehr schlecht sieht (man hat ihr vor 4 Jahren nach einem Autounfall den Führerschein entzogen) ist sie geistig und körperlich sehr fit. Sie arbeitet täglich mehrere Stunden in ihrem Garten und erinnert sich recht lückenlos an die Inhalte eines unserer Telefonate vor 4 Monaten.

Mit ihrer Paranoia macht sie sich und ihrem Umfeld das Leben schwer. Die Gespräche mit meinen Eltern und Verwandten brachten keine Besserung. Auch die liebe Dame, die sie regelmäßig betreut, kommt in diesem Punkt nicht weiter. Konsultierte Ärzte überrumpelt sie mit ihrer Geistesgegenwärtigkeit. Die Verschreibung von Psychopharmaka war bisher aus bürokratischen Ursachen scheinbar nicht möglich. Ich hoffe sehr für meine Oma, dass sie bald die richtigen Medikamente nehmen darf um sich die restlichen Jahre ihres Lebensabends noch schön und angenehm zu gestalten.

Datamining & Vorratsdatenspeicherung

Also doch – bisher hielt ich es lediglich für eine evtl. jetzt schon einkalkulierte Option, entsprechend der neuerlichen Forderung zur Ausweitung der LKW-Mautdatenerhebung auf den gesamten Verkehr, sowie zur Speicherung dieser Daten auf Vorrat, damit diese dann nicht nur zur Abrechnung sondern auch zur Strafverfolgung herangezogen werden können. Aber nach dem Artikel in der futurezone des ORF ist mir mehr als schlecht: in kürzlich öffentlich gemachten Dokumenten (1, 2) des ETSI (European Telecom Standards Institute) sind technische Schnittstellen zum Zugriff auf gespeicherten Telekommunikations-Verkehrsdaten skizziert, die (soweit es denn gesetzlich erlaubt wird) auch für (präventives) Datamining verwendet werden könnten (Quelle futurezone):

  1. Eine Einzelanfrage basierend auf einem einzigen Anfragekriterium
  2. Multiple Anfragen basierend auf aggregierten Einzelanfragen
  3. Anfragen, die auf einer Reihe von Anfragekriterien basieren
  4. Assoziierte Anfragen

Deren mögliches Ergebnis:Personenprofile, Gruppenzugehörigkeit, Gefährdungspotentiale.

Ich bezweifle allerdings, daß die vorgesehenen Zugriffsmöglichkeiten (technisch) restriktiver implementiert werden könnten.

Die Zugriffsmöglichkeit (inhaltlich, behördlich) wird letztlich gesetzlich reglementiert werden müssen und das heißt dann: Vertrauen in die rechtlich richtige Anwendung ist unabdingbar. Oder anders formuliert: Mißbrauch ist (quasi) vorprogrammiert, auch dann wenn die Infrastruktur von Datenspeicherung und -abruf so sicher wie möglich implementiert wird – denn: eine 100% Sicherheit kann es nicht geben.

Ob allerdings jemals eine rechtliche Grundlage für die VDS (auch europaweit) geschaffen werden kann ist absolut zeifelhaft, aber leider aufgrund der fortwährenden Äußerungen der Bundesregierung auch absolut denkbar.

Um dem geplanten Vorhaben einen Riegel vorzuschieben muß eine grundsätzlich, rechtliche Entscheidung hereine gemeinsame Verfassungsbeschwerde initiiert vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung könnte dieser Riegel sein.

Wer daran teilnehmen möchte, bitte nicht vergessen, daß die Vollmacht schriftlich (per Post) vorliegen muß – also diese bitte ausdrucken, unterzeichnen und an den vertretenden Rechtsanwalt senden.

[nachgereicht]

Im Wiki des AK VDS gibt es eine Analyse der Dokumente. Treffend auch der Kommentar von Kai. Der Prozess der technischen Spezifikation scheint demnach auch mit den im ORF-Artikel genannten Beteiligten üblich – letztlich sind die politischen Motive die zur VDS (und damit auch zu diesen Dokumenten führen) maßgeblich und diese müssen hinterfragt werden.

Volkszählung 2011

Erbsenzählen, Datenerheben, personalisiert, einmal mehr: Es könnte nach der letzen Zählung 1987 bereits 2011 schon wieder soweit sein – die Große Koalition aus CDU/CSU & SPD hat dazu am Donnerstag die Weichen gestellt.

Genauere Infos zum Vorhaben, dem Nutzen und den Methoden finden sich im Portal der Statistischen Bundes- und Landesämter zum Projekt Zensus2011. Vereinfacht ausgedrückt geht es darum bestimmte vorhandene Datenbestände auszuwerten, quasi zusammenzuziehen und dann fehlende Daten per Volkszählung zu ergänzen, um so eine aktuelle Basis für statistische Zwecke zu erhalten.

Interessant in diesem Zusammenhang auch die Aussage von Prof. Spiros Simitis im Zeit-Interview zum Thema Datensammeln von Staat und Privatwirtschaft:

„Die Unterscheidung zwischen privaten und staatlichen Datensammlungen ist längst hinfällig, wie Erfahrungen etwa in den Vereinigten Staaten zeigen. Die Daten, die uns betreffen, sind alle schon gesammelt, und zwar primär in immer größeren privaten Dateien. Das hat zur Folge, dass der Staat selber nicht mehr zu sammeln braucht. Was ihn interessiert, ist der Zugriff auf die privaten Datenbestände. Das können sie etwa sehen an der derzeitigen Diskussion um die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten. Der Staat tut da nichts. Er zwingt die Privatwirtschaft, bestimmte Daten zu erheben, und holt sie sich dann.“

Wenn sich das tatsächlich verstärkt in diese Richtung entwickeln sollte – hin zur staatlichen Abnahme anfallender Alltagsdatenströme zwischen Personen und Unternehmen, dann dürfte es schwer werden die Datenerhebung im privatwirtschaftlichen Bereich in Zukunft entsprechend strikt zu reglementieren. Das schreit geradezu nach einem Interessenskonflikt des Staates: hier stehen datenschutzrechtliche Interessen gegen die Erhebung einer bestmögliche Nutzdatenbasis für welche Zwecke dann auch immer.

Bombige Technikkunst

Technikkunst, ja, die lieb ich. Und genau die ist seit kurzem auch bei Spreeblick zu bewundern: frattenizer.

Die Idee ist – wie stets bei den guten Dingen dieser Welt – simple & ja: bombig. Die Umsetzung und Einbindung in Form eines kleinen Javascript-Pakets einfach. Die Haptik hervorragend – es wird sofort klar:

Hier geht es (ganz ganz extrem kurz mal von der rechtlichen Fragwürdigkeit abgesehen) um den Schwachsinn einer Zensur, die von Inkompetenz nur so strotzenden Informationstechniklahmen gefordert wird.

Sonderpreis Hysterie am Alexanderplatz

Nachdem ich in diversen Blogs (1, 2, 3, Fotos) und in den Nachrichten von dem Wahnsinn bei der Elektromarkteröffnung am Alexanderplatz hörte, habe ich gestern Abend, nach getaner Arbeit, einen Spaziergang nach Mitte gewagt. Schon auf dem Alexanderplatz kamen mir zahlreiche männliche Mitbürger vom Typ „Proll“ mit Kartons voller Flatscreens, Mikro-Kompaktanlagen und anderem Elektroschrott entgegen. Als ich dann gestern um 22 Uhr (am Tag nach der Eröffnung) vor dem Alexa stand, hat mich die Realität überrollt. Wenn man Ereignisse via Nachrichten und Videoberichte konsumiert, wird einem ja suggeriert selbst dabei zu sein. Aber live ist härter: Ich fühlte mich wie ein verwirrter Beobachter von einem anderen Planeten: Einlassgitter die den Menschenmassen Schlangenlinien aufzwingen, Müll, Securitykräfte, Prolls, Müll, kaputter Rollrasen, Polizei, Müll, Menschen mit Elektroschrott in Kartons, Müll, Glasscherben, Prekariat, noch mehr Müll. Ich wollte Bilder machen für diesen Text hier. Akku leer. Warum sind die scheiß Akkus immer dann leer, wenn man sie braucht?

Vor dem Elektromarkt stand eine Schlange. Hab mich nicht angestellt. Bin sprachlos durch die Einkaufspassage geschlendert. Im 2. OG gab es dann noch einen freien Eingang zum Elektromarkt. Sieht aus wie geplündert. Alle Rolltreppen stehen still. Sind mit Sonderangebot-Prospekt-Fetzen verstopft. An allen Kassen werden im 20 Sekunden-Takt Beträge von mehreren hundert Euro bezahlt. „Kann ich den Fernseher auch finanzieren … auch ohne Anzahlung?“ – „Hey goil Alder, voll geiles Handy“. Die Leute aus den Nachmittags-Talkshows gibt’s ja in echt! Bisher dachte ich immer: Die sind so fertig, das müssen Schauspieler sein. Nach 20 Minuten ist es zu viel. Ich muss raus aus dem Markt. Was gar nicht so einfach ist…

Es bleibt die Faszination dieser Massen-Sonderangebot-Hypnose, Erstaunen über die Macht der Werbung und die Manipulation über geschickte Propaganda und PR. Ich war kurz davor mir selbst was zu kaufen bei der ganzen Massenhysterie: Halt irgendwas wie einen MP3 Player, Kamera oder so… Konnte es mir grade noch verkneifen und ein paar Preise notiert, die ich eben mal kurz recherchiert habe: Die im Prospekt gepriesenen Angebote (Canon 400D, 2 Laptops) waren tatsächlich echte Schnäppchen und lagen um die 20% unter dem günstigsten Preis den ich im Internet auf die Schnelle finden konnte. Ich habe aber auch einige Preise von normalen Produkten im Laden notiert (MP3 Player, LCD-TVs), und die lagen 20 – 50% über den Internet-Tiefstpreisen, suggerierten aber in handgeschriebenen roten Lettern auch ein aktuelles Wahnsinn-Sau-Angebot zur Eröffnung. Vielleicht sollte ich eine neue Kamera kaufen? Es sind doch Welt-Tiefstpreise und so… Beinahe hätte mich die Schnäppchen-Propaganda dann vor Ort auch noch erwischt.

Die Bahn raucht

Schön, daß in Zügen und Bahnhöfen von nun an Rauchverbot herrscht.

Auch fein, daß sich Raucher jetzt auf manchen Bahnhöfen (wie schon früher in manchen Schulen – ach wie schön) zusammengepfercht in Raucherecken gegenseitig zurauchen müssen.

Tolles Bild übrigens: sich zurauchen.

Endsprima, daß man sich im besonderen (und ich mich im speziellen) an Bahnhofseingängen durch eine dicke blaugraue Wand aus Feinstrauch kämpfen muß, weil inzwischen 10 mal so viele Qualmer dort um die Steckierdeineglühkipperein-Eimer stehen, deren Zichte schnell noch weg muß bevor es der Zug ist, oder die nach zig Stunden nicht enden wollender Fahrt (zzgl. Verspätung) endlich wieder ran dürfen an ihr Lungenbrötchen.

Und wehe es beschwert sich einer über die grausamen Freiheitseinschränkungen der rauchenden Bevölkerung – ich kann nirgends an der Sucht „Rauchen“ Freiheitliches entdecken und schon gar nicht am stetigen, finanziellen Transfer hin zu Staat und Seltsamkonzernen für den schlechtesten Tabak den es gibt und je gegeben hat.

Oder anders: bau deinen Tabak selbst andas wär wenigstens mal was!

Und apropos Lungenbrötchen: gestern das Wort Schnitzelfriedhof in meinen Wortschatz aufgenommen.